Berend Hirsch (Issachar) Oppenheimer (1756–1858) war ein Galanterie- und Spielwarenhändler in Hamburg. Sein Geschäft bestand ab 1806. Seine Nachkommen wurden außer in Hamburg vor allem in Leipzig ansässig, einige wurden in den Freiherrenstand erhoben.
  1. Hirsch Berend Oppenheimer (* 1. April 1793; † 16. Dezember 1870, bestattet auf dem Friedhof Ohlsdorf)[35] begründete im Jahre 1824 die Hamburger Firma „H. B. Oppenheimer“ (Großhandel in Uhren und Pendulen, Glas, Porzellan, Spiegeln und Kurzwaren) und im Jahre 1834 in Leipzig die Kurzwarenhandlung „H. B. Oppenheimer am Markt“. Zudem schuf er 1868 das auf orthodoxer Grundlage geführte Oppenheimerstift in Hamburg am Krayenkamp.[36] Bereits 1830 versuchte er sein Mietshaus am Millernsteinweg[37] zu erwerben, da er für sein Geschäft ein größeres Warenlager benötigte und im Haus neben der Wohnung auch den Laden unterhielt. Man verwehrte ihm den Kauf, jedoch 1847 – fünf Jahre nach dem Hamburger Brand – ließ er am niedergebrannten Neuen Wall 63–67 ein stattliches fünfgeschossiges Gebäude errichten. Über den beiden hohen Eingangsportalen befand sich der Schriftzug H. B. Oppenheimer. In dem Gebäude waren neben Kontorräumen und der Wohnung auch eine private Synagoge.
    1. Dr. Ruben Leopold (Levin) Oppenheimer (1837–1914), Rechtsanwalt, promovierte 1860 in Leipzig und war 1875 in Hamburg in die Patriotische Gesellschaft eingetreten. Gemeinsam mit Philipp (Paul) übernahm er die Verwaltung der Oppermann-Stiftung ab 1870.
    2. Dr. Philipp (Paul) Oppenheimer (* 21. April 1854 in Hamburg; † 17. November. 1937 in Hamburg), Rechtsanwalt, ehelichte in zweiter Ehe um 1890 Alice Oppenheim (* 1846 in Hamburg), Tochter des Kaufmanns Albert Süsskind Oppenheim, dem das Bürgerrecht von Hamburg 1865 verliehen wurde, und der Lucia Cohn (* 1846 in Stuttgart). Ihre Schwester Johanna Oppenheim (* 1849 in Hamburg) heiratete 1898 den Juniorchef der Textilfirma „Rappolt & Söhne“. Am 20. März 1942 musste Alice Oppenheimer in ein Judenhaus in der Beneckestraße 6 im Hamburger Stadtteil Rotherbaum umziehen. Am 15. Juli 1942 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Johanna, welche inzwischen verwitwet war, nach Theresienstadt deportiert. Die beiden Schwestern wurden zusammen im Gebäudeteil L 425 8 Nr.13 h untergebracht. Dort starb Alice sechs Wochen später, am 3. September 1942, angeblich an Herzschwäche[38].
      1. (I) Olga Oppenheimer (* 1885), verehelicht mit Hugo Wolfers (* 22. Oktober 1875), Mitinhaber der Leinen- und Baumwollgroßhandlung „Schönfeld & Wolfers“. Er wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert.
      2. (II) Dr. Albert Bruno Oppenheimer (* 27. Dezember 1892 in Hamburg; † 4. April 1983 in Chicago, USA), Rechtsanwalt, emigrierte im Juli 1941.[39]
      3. (II) Paul Oppenheimer (* 1895; † Mai 1917 gefallen an der Westfront)
      4. (II) Ernst Oppenheimer (* 1897), Angestellter, am 8. November 1941 nach Minsk deportiert, sein Todesdatum ist nicht bekannt.
  2. Leopold Berend Oppenheimer (1796/8–1880), Gesellschafter der Hamburger (ab 1830) und Leipziger (ab 1834) Firmen „H. B. Oppenheimer“, 1868–1880 Vorsitzender des hamburgischen Deutsch-Israelitischen Synagogenverbandes.[40]
    1. Bertha Oppenheimer (1832–1905) ehelichte 1854 den Leipziger Bankier Gustav Plaut, dessen Vater Herz Cusel Plaut (1784; 29. Januar 1837) aus Reichensachsen nach seiner Eheschließung mit Caroline Blach (1800–1874) aus Abterode, die Bank „H. C. Plaut“ im Jahre 1815 in Nordhausen gegründet hatte[41].
      1. Jacob Plaut (1817–1901) blieb Junggeselle. Er zog 1852 nach Leipzig und eröffnete die Bank „H. C. Plaut“, die sich mit Finanzierung neuer Eisenbahnen und dem Ausbau der osteuropäischen Wirtschaft, vor allem aber Entwicklung der Leipziger Messe und des Rauchwarenhandels befasste. Seine Stiftungen im Gesamtwert von mehreren Millionen Goldmark für jüdische und christliche Wohlfahrtszweige in Nordhausen, u. a. das Jacob-Plaut-Krankenhaus, brachten ihm 1865 die Ehrenbürgerschaft ein. In Leipzig wurde die Plautstraße nach ihm benannt. Ebenfalls veranlasste er die Jacob-Plaut-Stiftung in Hamburg und Berlin. Nach dem Eintritt in den Ruhestand 1875 verlebte er die letzten Jahre in Nizza. Seine Bank wurde von dem Geheimen Kommerzienrat Sieskind Sieskind übernommen, später von Dr. Jacob Sieskind, dem Sohn des Sieskind Sieskind. Der Schwiegersohn und Generalkonsul Georg Schreiber und dessen drei Söhne führten sie bis zu Machtergreifung Hitlers weiter.
      2. Moritz Plaut (1822–1910), Geheimer Kommerzienrat, war 1834–1837 Lehrling des Leipziger Bankiers Conrad Friedrich August Thieme. Er verließ 1847 Nordhausen und siedelte nach Berlin über, wo er die Bank „H. C. Plaut“ eröffnete, welche 1896 liquidiert wurde. Im Jahre 1865 wurde er ebenfalls Ehrenbürger von Nordhausen. Sein Vermögen soll sich auf 27 Millionen Goldmark belaufen haben[42].
      3. Gustav Plaut (1824–1908) verzog 1852 nach Leipzig und wurde Gesellschafter der Bank. Als Bankier beriet er den Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen und den Herzog von Sachsen-Meiningen. Gustav wurde ebenfalls 1865 Ehrenbürger von Nordhausen. Im Krieg 1866 rettete er persönlich, als Bauer verkleidet, den Wettiner Schatz des Königs von Sachsen vor Erbeutung durch die Preußen, in dem er das mit Goldbarren unter einer Schicht von Kartoffeln beladene Gefährt durch die preußischen Linien hindurch nach dem Königstein brachte; hierfür wurde ihm der Königliche Orden Vierter Klasse verliehen[43]. Er trat 1875 in den Ruhestand und übersiedelte kurz vor 1890 nach Hamburg.
        1. Georgine Plaut (* 1855 in Leipzig; † 1928), die den am 30. November 1905 zum ungarischen Baron Ladislaus von Dirsztay ernannten Ladislaus von Fischl (* 6. Mai 1856; † 1921) in Wien ehelichte. Bereits am 3. September 1884 wurde Fischl in den Adelsstand erhoben und hieß darauf zunächst von Fischl, ab 19. April 1889 nannte er sich Ladislaus von Dirsztay. In erster Ehe mit Etelka Steinfeld (1860–1943) verehelicht, ließ er sich 1892 von ihr scheiden.[44]
        2. Prof. Dr. med. Hugo Carl Plaut (1858–1928), der 1882 in Leipzig sein Studium der Veterinärmedizin beendete und nach anschließendem Studium der Medizin in Leipzig und Kiel von 1889 ab in Leipzig als praktischer Arzt und biologischer Forscher wirkte. Im Jahre 1894 entdeckte er den Erreger der Angina Plaut-Vincenti, ab 1897 war er als Professor der Universität Hamburg tätig und begründete das dem Eppendorfer Krankenhaus angeschlossene Plautsche Pilzforschungsinstitut.
          1. Dr. med. Rahel Plaut (* 21. Juni 1894 in Leipzig), ehelichte den in Hamburg geborenen und in Liverpool im Ruhestand lebenden Historiker Dr. phil. Hans Liebeschütz (1893–1978), außerordentlicher Professor der Universitäten Hamburg und Liverpool und Fellow of the Royal Historical Society. Dr. med. Rahel Liebeschütz-Plaut, wie ihr Ehename lautete, habilitierte 1923 im Fach Physiologie und war damit die dritte Medizinerin in Deutschland, die eine Privat-Dozentur erhielt. Nach ihrer Emigration 1938 arbeitete sie in England als Sozialarbeiterin.[45][46]
            1. Wolfgang Liebeschütz (* 1927)
            2. Hugo Liebeschütz (* 1929)
            3. Elisabeth Liebeschütz (* 1932)
  3. John (Joel) Berend Oppenheimer (* 1807/9 in Hamburg; † 20. Januar 1872 in Leipzig)[47] zog um 1830 nach Leipzig. Dort eröffnete er im Jahre 1834 die Rauchwarenfirma „J. B. Oppenheimer & Comp.“ am Brühl, einem der führenden Unternehmen des Leipziger Rauchwarenhandels in der Mitte des 19. Jahrhunderts, welches infolge Krankheit um 1869 liquidiert wurde. Er ehelichte Bertha Berenhart (1816–1880) und wurde 1837 der erste Vorsteher der neu gegründeten Israelitischen Gemeinde. Nach 1838 übernahm er als Alleininhaber die Leipziger Kurzwarenhandlung „H. B. Oppenheimer“, die in John B. Oppenheimer umbenannt und um 1873 liquidiert wurde. Als einer der drei Vorstandsmitglieder der 1837 gründeten Israelitischen Gemeinde in Leipzig initiierte er die Verhandlungen zum Ankauf von Land zwecks Errichtung einer Synagoge im selben Jahr, sie überstand die Zerstörung von 1938 und diente nach 1946 bis zur Errichtung der neuen Hamburger Synagoge als Gemeindesynagoge.
    1. Pauline, geboren in Leipzig, ehelichte Prof. Dr. med. Krause
    2. Hermann John Oppenheimer (1837–1873) ehelichte Fanny Jaffé (1845–1928) aus Posen und wurde um 1869 Gesellschafter der Leipziger Firma „John B. Oppenheimer“.
    3. Ludwig John Freiherr von Oppenheimer (* 21. August 1843 in Leipzig; † 27. November 1909 in Wien)[48] studierte in Leipzig und Berlin 1860–1862 Agronomie und Nationalökonomie und ließ sich 1866 in Wien und auf der ihm vom Vater geschenkten Besitzung Kleinskal bei Gablonz in Böhmen nieder. Die Erhebung in den österreichischen Ritterstand erfolgte im Jahre 1868. Oppenheimer ehelichte 1872 in Wien die Tochter des Eduard von Todesco (1814–1887) und der Sophie Gomperz (1825–1895), Gabriele, genannt „Yella“, Freiin von Todesco (geb. 19. August 1854 Baden/Wien, gest. April 1943). Die Ehe wurde bereits 1883 geschieden. Im Jahre 1878 wurde Oppenheimer in den österreichischen Freiherrnstand erhoben und kurz danach lebenslanges Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrats, wo er eine liberale Politik verfolgte[49].
      1. Herrmann Felix John Freiherr von Oppenheimer (1874–1938)[50], Dr. jur. k. u. k. Oberleutnant a. D., der zum Katholizismus übertrat. Er ehelichte am 23. Juni 1900 „Mysa“ Marie Alexandrine Henriette de Ville Gräfin von Demblin (* 6. Juli 1876 in Graz; † 3. Juli 1969 in Serra/Lerici)[51], aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Der Freiherr betätigte sich in Wirtschaftspolitik und war 1918–1923 Herausgeber der angesehensten österreichischen Wirtschaftszeitschrift Österreichische Rundschau.
    4. Felix Oppenheimer (* 1850; † 1870), Rechtsstudent, meldete sich beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs, durch Heinrich von Treitschkes Reden begeistert, zum Heer und fiel Ende 1870 bei Brie (Marne).